Das Geheimnis der Steine
Von Angelika Hillmer
Hamburg. Sie sind spitz und zerbrechlich, eckig und kompakt, schillern in allen Farben: Auf der Messe Mineralien Hamburg präsentieren an diesem Wochenende gut 400 Aussteller aus aller Welt Mineralien, Fossilien und Edelsteine. Die angebotenen Kristalle und Steine sind vor allem für Hobbysammler interessant. Doch finden sich auch Stücke, die eine große wissenschaftliche Bedeutung haben.
Dazu gehören die Funde des italienischen Geologen Dr. Italo Campostrini von der Universität Mailand: Gelbe, an Schwefel erinnernde Kristalle zieren anthrazitfarbenes Vulkangestein - es ist Challacolloit, eine Mineralienart, die erst 2005 entdeckt wurde. Sie stammt von der süditalienischen Insel Vulcano und wurde von heißen Vulkandämpfen (Fumarolen) an der Oberfläche abgeschieden. "Seit 2006 haben wir auf Vulcano rund 20 neue Mineralien entdeckt", erzählt Campostrini. Die Geologen haben den Mineralienmix des jüngsten Vulkans der Insel, des Fossa-Kraters, vor allem aus einem Grund im Visier: "Wir suchen, ähnlich wie am Vesuv bei Neapel, nach Indikatoren für eine ansteigende Temperatur im Innern des Vulkanes. Sie könnte auf eine kommende Eruption hinweisen."
Der Challacolloit gehört allerdings nicht zu den 20 Neuentdeckungen, denn diese Mineralienart wurde bereits ein Jahr zuvor von Prof. Jochen Schlüter beschrieben. Er leitet das Mineralogische Museum der Universität Hamburg. Schlüter fand das gleiche Mineral wie Campostrini in Proben der chilenischen Silbermine Challacollo. "Wir kooperieren mit Wissenschaftlern und Sammlern in aller Welt, tauschen zum Beispiel Proben aus", sagt Schlüter. So kam auch das chilenische Bergbaugestein in den kühlen Norden.
Vor allem Vulkane, Steinbrüche und der Bergbau liefern den Wissenschaftlern ihr Forschungsmaterial. So nutzen die Mineralogen der Technischen Universität Bergakademie Freiberg (Sachsen) unter anderem die historischen Funde des Bergbaus im Erzgebirge. Der ist zurzeit eingestellt. Die Freiberger Forscher steuern eines der faszinierendsten Ausstellungsstücke bei: das weltgrößte Exemplar eines Haüynkristalls aus der Eifel.
Haüyne sind meist nur einige Millimeter groß, intensiv blau und bilden sich in basischer Lava. Der in Hamburg gezeigte Kristall hat dagegen die Größe einer Walnuss. Gefunden wurde er erst im Oktober dieses Jahres, von einem 74-jährigen Hobbysammler am Laacher See in der Vulkaneifel (Rheinland-Pfalz). Der Wert des Steins wird auf über 100.000 Euro geschätzt.
Die Eifel ist der deutsche Mineralien-Hotspot. Hier forscht unter anderem Prof. Gerhard Wörner, Geochemiker an der Universität Göttingen. Sein Hauptinteresse gilt dem Laacher-See-Vulkan, der vor 13.000 Jahren ähnlich explosiv ausbrach wie der Vesuv im Jahr 79 n. Chr., als er Pompeji verschüttete. Zusammen mit kalifornischen Kollegen fanden Wörner und seine Arbeitsgruppe vor zwei Jahren heraus, dass der Eifelvulkan eine lange Vorgeschichte hat.
"Wir untersuchten Minerale aus der Kruste der Magmakammer des schlummernden Vulkans", erzählt Wörner. "Dabei stellte sich heraus, dass sie bereits 25.000 bis 30.000 Jahre alt sind. Das heißt: Der Vulkan hatte vor seinem großen Ausbruch schon mindestens 17.000 Jahre im Untergrund gebrodelt. Aus der langen Aktivität lässt sich schließen, dass er weiterhin aktiv bleibt." Wörner hält es für denkbar, dass der schlafende Riese am Laacher See irgendwann wieder explosiv ausbricht, dies jedoch in geologischen Zeiträumen von tausend bis zehntausend Jahren.
Ein weiterer Arbeitsbereich der Mineralogen ist die Suche nach Außerirdischen - nach Meteoriten. Auch sie sind auf der Messe zu finden. "Bis 1969 gab es weltweit nur um die 2000 Fundstücke. Dann begann die systematische Suche. Heute haben wir etwa 56.000 registrierte Meteoriten", sagt Jochen Schlüter. Expeditionen zur Meteoritensuche konzentrierten sich auf Wüsten und auf die Antarktis, so Schlüter. "In einem feuchten Klima verwittern die meist metallhaltigen Gesteine. Doch in Wüsten und im Dauerfrost der Antarktis können sie überdauern. Zudem sind die schwarzen Gesteinsbrocken auf hellen Untergründen wie Schnee oder Kalkstein recht gut zu entdecken."
Der Geologe Kaspar von Wuthenau verkauft kleine Meteoriten für etwa 1,50 Euro pro Gramm. Einige gehören zum Fund NWA 869. Mit dem Code lassen sich per Internet in der Datenbank der Meteoritical Society Informationen zu den kosmischen Objekten nachlesen. NWA steht für Nordwestafrika. Die Nummer 869 bezeichnet einen Meteoriten, der bereits in der Atmosphäre zerplatzte und als Steinregen in der Sahara niederging - die gefundenen Einzelteile haben ein Gesamtgewicht von mindestens 2000 Kilo.
Während die Meteoriten unauffällig schwarz-grau daherkommen, schillert es um sie herum in allen erdenklichen Farben. Nicht alles, was es hier zu sehen und zu kaufen gibt, ist natürlich gewachsen. Der Amethyst ist von Natur aus ein violetter Quarz, wird aber auch in Gelb als (eher seltener) Citrin angeboten. Schlüter: "Citrine gibt es in der Natur. Aber die Farbe entsteht auch, wenn man Amethyste auf rund 450 Grad erhitzt."
Gewachsene Bergkristalle erkennt der Fachmann an feinen Querstreifen auf bestimmten Kristallflächen. Sind diese völlig glatt, wurde per Schliff nachgeholfen, den Kristall in Form zu bringen. Und Topase erhalten ein intensiveres Blau, wenn man sie bestrahlt. Schlüter: "Edelsteine mit Top-Farben sind generell sehr selten und entsprechend teuer" - ein Gutachterservice hilft Messebesuchern, die Zweifel an der Echtheit eines Objekts haben.