Heißes Pflaster
Göttingen: "Der Kreis schließt sich", sagt Peter Brammer, Organisator der Kinder-Uni, als er Professor Gerhard Wörner vorstellt. Der Göttinger Geochemiker sei von Anfang an dabei gewesen und habe im ersten Semester der Kinder-Uni schoneine Vorlesung gehalten. Nun halte er die letzte in diesem Jahr - passend zum zehnjährigen Bestehender Kinder-Uni. Der Titel der Vorlesung lautet ,,Vulkane in Deutschland?" - und das Fragezeichen sei wichtig, sagt Wörner. Denn wer rechne schon damit, dass unter Deutschland Vulkane schlummerten? Im mit fast 350 Kindern besetzten Hörsaal tun das aber die meisten Zuhörer. Wörner ist begeistert, denn damit wüssten die Kinder schon mehr als Dichterfürst Goethe, der ins einer quasi nebenberuflichen Naturforschertätigkeit Vulkangestein in der Eifel untersuchthabe, ohne es zu erkennen. Deshalb sei er zu dem Fehlschlussgekommen, Deutschland sei Vulkan freie Zone.
Das Gegenteil sei aber der Fall Die Eifel sei nämlich ein gerade zu "heißes Pflaster". Wo heute der Lacher See den Krater des jüngsten deutschen Vulkans bedeckt, kam es laut Wörner voretwa 13 000 Jahren zu einer heftigen Eruption.
Diese sei um ein Vielfaches gewaltiger gewesen als der Ausbruch des isländischen Zungenbrecher-Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010. Die Asche des Eifel-Vulkans flog damals bis nach Frankreich, Italien und Skandinavien und hinterließ im Umland bis zu 50 Meterhohe Bimsstein-Ablagerungen. Und wer denke, 13 000 Jahre seien eine lange Zeit, der irre: "Geologisch gesehen ist das vorzweieinhalb Minuten gewesen", versetzt Wörner die jungen Studenten ins Staunen. Und die Chance, dass die Kinder in ihrem Leben Zeuge eines erneuten Ausbruchs werden, stünden bei 1:80. "Ziemlich gut", meint der Dozent.
Als Wörner schildert, wie er 1980 nur knapp den Ausbruch des Mount St. Helens im Nordwesten der USA überlebte, und 3D-Rekonstruktionen des um 1000 Meter abgesackten Vulkans zeigt, geht immer wieder ein kollektives „Wow" durch die Reihen. Weil diese Reaktion beim Wasserexperiment ausbleibt, bei dem ein Geburtstagskind aus dem Publikum einen Bimsstein ins Wasser plumpsen lässt, der wegen seiner Gaseinschlüsse an der Oberfläche schwimmt, stutzt der Vulkanologe. Dafür gebe es nur eine Erklärung: Viele Zuhörer seien wohl nicht zum ersten Mal bei einem Vortrag Wörners – dem mittlerweile sechsten in der Kinder-Uni.
Verblüffend
Göttingen. Der zehnjährige Tilmann Issendorf aus Groß Schneen hat zwar selbst einen Geologen als Vater und des halb schon einige Vorkenntnisse. Trotzdem ist er verblüfft darüber,dass,,13 000 Jahre gerade ein mal zweieinhalb Minuten" nach geologischen Maßstäben seien. Außerdem hätte er nicht gedacht, dass es auch in arktischen Gebieten Vulkane gibt und "sie sogar im Wasser ausbrechen können ".
Tilmanns achtjähriger Bruder Moritz erzählt stolz, dass die Familie zu Hause einen Bimssteinhabe, der "viel, viel größer" sei als derjenige, der während der Vorlesung zu Versuchszwecken baden ging. Im Gegensatz zu seinem Bruder hätte er aber nicht gedacht, dass es in Deutschland aktive Vulkane gibt.
Kara-Sophie Theiß aus Göttingen ist neun Jahre alt. Gefallen hat ihr, dass "der Professor so schön deutlich gesprochen hat". Sie ist erstaunt darüber, dass es so etwas wie schwimmende Steine gibt und freut sich, dass am Ausgang des Hörsaals eine Kiste mit Bimssteinen steht, aus der sie sich einen mit nehmen darf.
Quelle: "Göttinger Tageblatt vom 17 Dez. 2013 / Tomasz Stieme"