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Funde aus dem Urwald, der Wüste und dem ewigen Eis

Allein in den Anden hat er 15 Tonnen Gesteinsproben gesammelt: Gerhard Wörner auf dem Dachboden des Geowissenschaftlichen Zentrums.Campusansicht:

Vulkangestein-Sammlung im Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität.


Von Michael Caspar (GT)

Göttingen. Tonnenweise Vulkange- stein lagert Prof. Gerhard Wörner auf dem geräumigen Dachboden des Geowissenschaftlichen Zent- rums in Göttingen. Seit den 80er- Jahren trägt er systematisch Proben aus den Anden und anderen Regio- nen zusammen. Für die Campus- Ansichten-Reihe (Folge 62) öffnete er sonst verschlossene Türen.

Die Neonröhren unter der Decke sorgen für fahles Licht auf dem Dachboden. In alten, schön gema- serten Holzschränken bewahrt der Geochemiker und Vulkanforscher seine Funde.

Zu jeder einzelnen Probe gibt es einen Zettel. Auf ihm sind die lau- fende Nummer, das Jahr der Ent- nahme und der Fundort mit den GPS-Daten vermerkt. „Allein aus den Anden habe ich 15 Tonnen Ge- stein nach Göttingen gebracht“, be- richtet Wörner. Im Drei-Länder-Eck von Peru, Bolivien und Chile, wo sich die Atacama-Wüste erstreckt, besteigt er mehr als 5000 Meter ho- he Vulkane.

Minenfelder und Höhenluft

„Um die Region, die reich an Salpe- ter ist, wurde bereits Krieg geführt“, weiß der Wissenschaftler. In seinem 1500 Kilometer breiten Forschungs- gebiet gibt es daher vereinzelt Mi- nenfelder. Das Kartenmaterial ist schlecht. Zu schaffen macht dem Team auch die Höhenluft, die we- nig Sauerstoff enthält. Das verur- sacht Kurzatmigkeit und Kopf- schmerzen.

Bewohnt wird die unwirtliche Region von Indios. Einer Frau half Wörner gebrannte Lamaknochen auf den Markt zu bringen. Aus ih- nen lässt sich Seife sieden. Einem Bräutigam transportierte er mit dem Geländewagen Steine für den Hausbau ins Dorf. Die Menschen bewirten ihn mit Popcorn und mit Chicha, Maisbier, aus alten Konser- venbüchsen.

Doch nicht nur in den Anden ist der Geochemiker unterwegs. Er sammelte bereits im ostsibirischen Kamtschatka Vulkangestein. Zu Vulkanen im mittelamerikanischen Urwald flog er mit dem Hubschrau- ber. „Einmal konnte der Helikopter wegen eines Defekts nicht mehr starten“, erinnert er sich. Stunden- lang lief er durch den Dschungel, um Hilfe zu holen.

In der Antarktis stürzte sein Hub- schrauber ab. Wegen der Gletscher- spalten konnten der Pilot und er nicht weglaufen. Sie duckten sich in einiger Entfernung in den Schnee und hatten Glück. Die noch laufen- de Turbine explodierte nicht. Ein

Begleithubschrauber rettete die beiden.

Vielfältig sind die Proben, die Wörner in den vergangenen 30 Jah- ren nach Göttingen holte. Da gibt es Bimsstein, auf Wasser schwimmen- de Schaumlava. Obsidian, Vulkan- glas, entsteht, wenn zähflüssiges Magma an der Oberfläche schnell abkühlt. Kühlt es dagegen langsam in der Erdkruste aus, finden sich im Gestein Kristalle.

Mit Hightech-Geräten Gesteinanalysieren

Wörners Team bricht das Gestein, trennt die Minerale ab und stellt daraus Pulver her. Mit Hightech- Geräten wie der Elektronenmikro- sonde und dem ICP-Massenspek- trometer analysieren die Forscher sie chemisch und physikalisch. So verstehen sie die Entstehung der Magmen, die Entwicklung von Vulkanen sowie Prozesse in der Magmakammer vor dem Aus- bruch besser. „Die Analysen, und nicht das Sammeln von Proben im Gelände, stehen im Zentrum unse- rer Arbeit“, stellt der Wissen- schaftler klar.

„Der Wert einer jeden Probe steigt mit der Zahl der Untersuchun- gen, die an ihr durchgeführt wer- den“, erklärt der Professor. Jeder Fund ist ein erdgeschichtliches Archiv, dem sich immer neue Infor- mationen entlocken lassen. Deshalb verschickt Wörner nach Abschluss eigener Analysen Proben für weite- re Untersuchungen an Wissen- schaftler weltweit.

„Damit die Sammlung langfristig nutzbar bleibt, will ich sie in den kommenden Jahren in ein wissen- schaftliches Archiv überführen“, kündigt Wörner an. An einem An- trag für ein entsprechendes Projekt der Deutschen Forschungsgemein- schaft schreibt er gerade.

Quelle: Göttinger Tageblatt, 08.08.2017, von Michael Caspar.