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Historisches

Geschichte und Bedeutung der Geowissenschaften in Göttingen

Die Gründer unserer Universität kannten den Geist der Zeit und ließen als erste in Deutschland die Naturkunde in ihrem ganzen Umfang lehren. Das Bildungsgut ging vor 250 Jahren noch nicht weit ins Detail, so daß die Kenntnisse über Minerale, Versteinerungen, Bergbau, Hüttenwesen und ferne Länder von Professoren der Medizin, Physik, Chemie, Geschichte und Ökonomie mitgeteilt werden konnten. Die Geowissenschaften wurden im ersten Jahrhundert der Universität nicht durch eigene Professoren, in einzelnen Fällen jedoch durch Dozenten mit einschlägiger Spezialisierung vertreten. Das aus Stiftungen entstandene Naturalienkabinett, zu dem auch umfangreiche Mineralsammlungen gehörten, bildete den Grundstock zum Königlichen Akademischen Museum neben der Pauliner Kirche. Hier und in der Kartensammlung der Bibliothek befand sich das Anschauungsmaterial für den oft in Privatwohnungen abgehaltenen Unterricht.

Um die Wende zum l9.Jahrhundert verlagerte sich in den Göttinger Naturwissenschaften das Gewicht von der Lehre zur Forschung. Die hierdurch notwendig gewordene Spezialisierung erforderte 1811 die Einrichtung eines Lehrstuhls für Mineralogie und Geognosie, der mit dem königlich-westfälischen Generalinspektor des Montanwesens in Kassel, Johann Friedrich Ludwig Hausmann (1811-1859), besetzt wurde. Hausmann hat eine moderne Mineralsystematik auf chemischer Grundlage eingeführt. Sein Nachfolger war Wolfgang Freiherr Sartorius von Waltershausen (1859-1876), der in langen Auslandsaufenthalten den Ätna kartiert und untersucht hat. Die Geologie gewann ihre Eigenständigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders durch die Entwicklung der Paläontologie und die Datierbarkeit von Gesteinsablagerungen mittels fossiler Organismen. Die Evolutionslehre von Lamarck und Darwin war eine wesentliche Grundlage. Es war jetzt möglich, die an die Oberfläche tretenden geologischen Einheiten nach Gesteinsart und Alter zu kartieren. Diese Phase ist dadurch charakterisiert, daß Adolf von Koenen (1881-1907) auf dem Göttinger Lehrstuhl für Geologie und Paläontologie 28 Blätter der Geologischen Karte von Preußen aufnahm. Zu Beginn seiner Amtszeit hatten sich kurz nach dem Einzug in das neue Naturhistorische Museum am Bahnhof Mineralogie und Geologie institutionell getrennt.

Um die gleiche Zeit wurde eine ordentliche Professur für Geographie und der sogenannte Geographische Apparat im Erdgeschoß der Universitätsbibliothek eingerichtet. Der Lehrstuhl ist mit Hermann Wagner (1880-1920) besetzt worden, der durch seine Beiträge zur wissenschaftlichen Kartographie eine klassische Arbeitsrichtung der Geographie forderte, aber auch sonst den akademischen Unterricht im Sinne der Entwicklung der Naturwissenschaften ausbaute. Er leitete u.a. ein Kuratorium zur Errichtung eines geophysikalischen Observatoriums auf Samoa. Im Jahr 1901 konnte Emil Wiechert (1898-1926), einer der Entdecker des Elektrons, am Hainberg das Institut für Geophysik beziehen, weltweit ein Novum. Nachdem sich Carl Friedrich Gauss schon mit der Erforschung des Erdmagnetismus befaft hatte, begann jetzt mit der Messung der Ausbreitung natürlicher und künstlicher Erdbebenwellen durch Wiechert die Erkundung des inneren Aufbaus der Erde.

Zur Erklärung der Entstehung von Mineralen und Gesteinen ist die Beobachtung ihrer Bildung in der Natur oder im Experiment notwendig. Chemische Analyse, Mikroskop und Röntgenapparatur standen in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts zur Verfügung, um die Stoffbestände der natürlichen Materie zu ermitteln. Man begann, aus der regionalen Auswertung geologischer Karten die zeitliche Entwicklung von Landschaften und Meeren zu erfassen und als Funktion globaler Prozesse zu erkennen. Hans Stine (1913-1932) leistete Pionierarbeit im Aufzeigen von Zusammenhängen zwischen Tektonik (Massenverlagerung) und Magmatismus bei der Gebirgsbildung. Aber noch waren die im Erdkörper liegenden Ursachen der globalen Tektonik nicht erkannt, für deren Ergründung man Alfred Wegener mit seinem 1911/12 erfolgten Hinweis auf die Verschiebung der Kontinente als einen Vordenker ansehen kann. Mit Wilhelm Meinardus (1920-1934) und seinen klimatologischen Untersuchungen beginnt auch in der Göttinger Geographie die Erforschung globaler Systeme.

Am Ende der für die Göttinger Physik Goldenen Zwanziger Jahre wurden auch in der Mineralogie durch die Berufung von Viktor Moritz Goldschmidt (1929-1935) neue Denkweisen und Methoden erschlossen. Er fand wesentliche Gesetzmäßgikeiten, nach denen sich der Aufbau der kristallisierten Materie der Minerale und anderer Verbindungen aus ihren atomaren Bestandteilen nach deren Größe und Bindungstendenz vollzieht. Gleichzeitig entwickelte er Vorstellungen über die Hauptbestandteile des Erdkörpers in Analogie zur Zusammensetzung von Meteoriten als Gesteinen aus unserem Planetensystem. Beide Programme bilden den Anfang der modernen Geochemie. Nachdem auch der Mineralbestand der feinstkörnigen Gesteine mittels röntgenographischer Diagnose identifizierbar geworden war, gelang Carl Wilhelm Correns (1939-1961) ein erster systematisierender Überblick über die Entstehung der sedimentären Gesteine.

In den Jahren 1971-1974 konnten drei Zweige der Göttinger Geowissenschaften neue große Forschungs- und Ausbildungsinstitute im Stadtteil Weende beziehen. Moderne Konzepte für die Erklärung der ständigen Umbildung des Erdkörpers wie für die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Erde erfordern die Synthese von Mosaiksteinen aus vielen Spezialgebieten. Die geowissenschaftliche Ausbildung soll solide Kenntnisse für die Fortsetzung der Grundlagenforschung aber auch zu Antworten auf Tagesfragen und zur beruflichen Anwendung vermitteln.