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Geochemie

Memorandum zur Situation der Geochemie

Allgemeine Standortbestimmung

Geochemie beschäftigt sich mit der chemischen und isotopischen Zusammensetzung von Gesteinen und Mineralen, deren Veränderungen als Folge von geologischen Prozessen, sowie der Erforschung unseres Planeten und seiner Nachbarn. Alle geologischen Prozesse lassen sich auf physikalische, chemische und biologische Vorgänge zurückführen. Die chemischen Prozesse spielen dabei eine entscheidende Rolle bei der

• globalen Differenzierung der Erde in Kern, Mantel und Kruste,
• internen Differenzierung der Kruste,
• Bildung und Differenzierung von Schmelzen,
• Gesteinsmetamorphose,
• Bildung und Diagenese der Sedimente, sowie
• Gesteinsverwitterung und Bodenbildung.

Auch die Deformation von Gesteinen wird von chemischen Prozessen begleitet. 

Ergebnisse aus geochemischer Forschung haben, wie die folgenden ausgewählten Bespiele verdeutlichen sollen, entscheidend zum heutigen Kenntnisstand dieser Prozesse und damit zur Formulierung unseres geowissenschaftlichen Weltbildes beigetragen.

- Mit den Methoden der Isotopengeochemie wurde nicht nur das Alter der Erde, sondern auch die zeitlichgeologische Entwicklung von etwa 85% der Erdgeschichte abgeleitet. Die Entwicklung der letzten 0,6 Milliarden Jahre konnte mit Hilfe der Stratigraphie und der Paleontologie entschlüsselt werden, dies allerdings auch ohne jede Kenntnis der Absolutalter.

- Die fließbandartige Entstehung und Ausbreitung der ozeanischen Kruste wurde zunächst mit paläomagnetischen Methoden als symmetrisches Streifenmuster parallel zu dem mittelozeanischen Rücken erkannt. Die geochronologische Eichung der regelmäßigen Progression dieser Streifen machte aus der Hypothese des "sea floor spreading" eine anerkannte Theorie.

- Eine Weiterentwicklung der Plattentektonik ist die Erkenntnis, daß erhebliche Teile der kontinentalen Kruste aus mehr oder weniger exotischen Fragmenten ("Terranen") zusammengeschweißt wurden. Diese Hypothese konnte neben paläomagnetischen Methoden vor allem auch mit isotopengeochemischen Mitteln belegt werden.

- Spurenelement und Isotopengeochemie haben eine DetektivRolle als "Tracer" der verschiedensten geologischen Prozesse übernommen. Mit ihnen können z. B. Ozeanboden und Inselbogenbasalte auch dann noch unterschieden werden, wenn ihr ursprünglicher geologischer Verbund nicht mehr erhalten ist. Die Erkenntnis, daß der Erdmantel chemisch heterogen ist und eine geologische Geschichte hat, beruht ebenfalls auf geochemischen Ergebnissen.

- Die Charakterisierung von Struktur, molekularer und isotopischer Zusammensetzung der in Sedimentgesteinen enthaltenen organischen Substanzen war der Grundstein für die erfolgreiche Aufklärung zahlreicher Prozesse in Zusammenhang mit der erdgeschichtlichen Entwicklung der Paläoumweltbedingungen und des Paläoklimas sowie auch der Bildung, Migration und Akkumulation von Erdöl und Erdgas. So lassen sich anhand experimentell ermittelter kinetischer Parameter für bestimmte molekulare Reaktionen die thermische Entwicklung sedimentärer Becken im Verlauf der geologischen Geschichte numerisch simulieren und quantitative Prognosen über Art und Menge der in Muttergesteinen gebildeten Erdölkohlenwasserstoffe erstellen.

Ziele der Geochemie

Ziel der Geochemie ist die Erforschung der chemischen Prozesse, die in der Natur ablaufen. Dies ist erforderlich, um die Entwicklung der Erde zu verstehen und um zuverlässige Prognosen für die Beeinflussung unserer Umwelt durch anthropogenes Handeln zu erstellen.

Hierfür sind Kenntnisse notwendig über

• gesetzmäßige Zusammenhänge zur Element und Isotopenverteilungen in
  geochemischen Prozessabläufen und Zyklen.
• quantitative Kopplung aller Umweltrelevanten Elementzyklen, und
• gesetzmäßige Beziehungen zwischen Zusammensetzung, Verteilung und Verhalten
  von organischen Spurenstoffen in Sedimentgesteinen, Böden und Grundwasser. 

Diese Kenntnisse bilden die Voraussetzung für ein tieferes Verständnis der Entstehung und Entwicklung der Erde sowie die verantwortungsbewußte Behandlung aller geochemisch relevanten Probleme einer Industriegesellschaft und der in ihr anfallenden Abfallstoffe. 

Die Geochemie leistet daher Beiträge zur:

• Bestimmung der Häufigkeit von Elementen und ihre Speziierung in den Geosphären
  (Atmo, Hydro, Lithosphäre);
• Ermittlung von Gesetzmäßigkeiten für die Verteilung und Kreisläufe der Elemente und ihrer Isotope;
• Erforschung der physikochemischen und chemischen Ursachen für den Stoßtransport in und auf der Erde;
• Bildung und Umwandlung von Mineralen, Gesteinen, Sedimenten und organischer Materie;
• Rekonstruktion der chemischen Entwicklung der Erde von der Akkretion solaren Staubes
  bis hin zu ihrem heutigen Erscheinungsbild;
• Prospektion auf Lagerstätten;
• Entstehung und Entwicklung des Lebens;
• Untersuchungen über Auswirkungen anthropogener Einflüsse auf die chemische Zusammensetzung der
  Atmosphäre, Hydrosphäre, Pedosphäre und Lithosphäre;
• Ermittlung von chemischen Prozessen, die zu globalen Veränderungen unserer Umwelt geführt haben,
  sowie von Grundlagen für Prognosen zukünftiger Entwicklungen;
• Entwicklung von Konzeptionen zum Umweltschutz wie Anlage von Deponien zur Langzeitlagerung
chemischresistenter Schadstoffe, Industrieabfälle alter Art und radioaktiver Abfälle;
• Entwicklung von quantitativen analytischen Methoden für Element und Isotopenbestimmungen in
  geowissenschaftlichen Fragestellungen

Methodische Gliederung der Geochemie

Analytische Geochemie

Element-Geochemie (Haupt- und Spurenelementgeochemie) untersucht die Verteilung der Elemente zwischen den zugänglichen Geosphären (Mantel, Kruste, Hydrosphäre, Atmosphäre), zwischen kogenetischen Mineralen, und zwischenMineralen und Schmelz oder Fluidphasen. Die analytischen Daten werden durch Aussagen der experimentellen Petrologie und Geochemie ergänzt. Aus diesen Ergebnissen wird das Verhalten der Haupt und Spurenelemente und ihrer Verbindungen in den verschiedenen geologischen Prozessen abgeleitet. Mit diesen Methoden lassen sich die Druck und Temperaturentwicklung von metamorphen Gesteinen, die Entstehung und Differentiation von Magmen, sowie die Umlagerungsprozesse in Sedimenten (Diagenese) aber auch in Bergwerkshalden oder Mülideponien verstehen und rekonstruieren.

Die Tieftemperatur -Geochemie verbindet die anorganische mit der organischen Geochemie. Da im Niedrigtemperaturbereich auch metastabile und kolloidale Systeme vorkommen, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen bei der Ermittlung der Metalleinbindung in chemischen Komplexen. Der Bezug zur Umwelt ist gerade bei dieser Thematik offensichtlich. 

Organische Geochemie beschäftigt sich im besonderen mit der Charakterisierung von Struktur und Zusammensetzung des organischen Materials in Sedimenten, Böden, Grundwässern, Sedimentgesteinen und Erdölen. Daraus können Rückschlüsse gezogen werden über die biologischen Ausgangsmaterialien, das Ablagerungsmilieu sowie über diagenetische und katagenetische stoffliche Veränderungen des organischen Materials. Diese Kenntnisse sind von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs und seine Wechselwirkung mit der gesamten Geosphäre. 
Da organisches Material in sehr sensitiver Weise auf Temperaturerhöhungen mit zunehmender Versenkung der Sedimente reagiert, sind eine Reihe von Reifeparametern etabliert worden, die maximal erreichte Paläotemperaturen anzeigen. Diese geochemischen Reifeparameter sind u. a. wichtig für die Kalibrierung der durch numerische Simulationsverfahren berechneten Temperaturgeschichte bei Beckenstudien. 
Für Umweltschutzrelevante Untersuchungen liefert die Organische Geochemie wichtige Beiträge, da organische Spurenstoffe der verschiedensten Art in den Kompartimenten unserer Umwelt (Böden, Grundwässer, Lockersedimente etc.) weit verbreitet sind. Dabei geht es zum einen um eine grundlegende Bestimmung ihres Ursprungs (geogen vs. anthropogen) und zum anderen um die Erstellung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Planung von Sanierungsmaßnahmen. 

Umweltgeochemie nutzt die klassischen Werkzeuge geochemischer Untersuchungen, gebraucht jedoch zusätzlich eine geländeorientierte Analytik in der Form von Schnelltests und Sensoren, die in der "klassischen" Geochemie nicht zur Anwendung kommen. Letztere ermöglichen schnelle, qualitative Aussagen. Umweltgeochemie ist eng vernetzt mit den Fachrichtungen Hydrogeologie, Bodenforschung sowie Mikrobiologie. Nur in Ausnahmefällen können umweltgeochemische Prozesse ohne Bezug auf mikobiologische Untersuchungen bewertet werden. Die Bestimmung der Präsenz und des Verhaltens von Schadstoffen in den Umweltkompartimenten Boden und Wasser bilden den wichtigsten Aspekt umweltgeochemischer Untersuchungen im angewandten Bereich. Die Chemie der Atmosphäre wird direkt von Prozessen an der Erdoberfläche beeinflußt, so daß Untersuchungen zu globalen Veränderungen unserer Umwelt sowie Prognosen für zukünftige Entwicklungen ebenfalls zum Spektrum umweltgeochemischer Untersuchungen gehören. 

Isotopengeochemie befaßt sich mit der Häufigkeit und Verteilung von Isotopen verschiedener Elemente. Veränderungen von Isotopenhäufigkeiten entstehen durch zwei grundsätzlich verschiedene Prozesse: 

1. Die beim Zerfall natürlicher radioaktiver Nuklide (z. B. U, Th, Rb, Sm, Lu, Re) entstehenden Veränderungen von Isotopenhäufigkeiten finden Anwendung bei der absoluten Altersbestimmung von Gesteinen und geologischen Prozessen (z. B. Intrusion, metamorphe Rekristallisation, neuerdings auch Deformation). Von ebenso großer Bedeutung ist die Anwendung von Isotopenverhältnissen als "Tracer" geologischer Prozesse. Dabei geben die Häufigkeiten der radiogenen Tochterisotope Aufschluß über Herkunft und Vorgeschichte von sedimentären, metamorphen und magmatischen Gesteinen oder über die Entwicklungsgeschichte des Meerwassers. 

2. Die temperaturabhängige Fraktionierung von Isotopen, insbesondere der leichten Elemente H, O, C, S und N, bei chemischen Reaktionen und Phasenübergängen findet Anwendung in der Geothermometrie von sedimentären und metamorphen Gesteinen, insbesondere in der Paläoklimatologie. Darüberhinaus dient sie als wichtigster "Tracer" von Wechselwirkungen zwischen Wässern und Gesteinen jeglicher Art, beispielsweise bei Verwitterungsprozessen oder der hydrothermalen Zirkulation von Oberflächenwässern durch magmatische Gesteine, die zur Konzentration und Ablagerung von Erzen führen kann.

Experimentelle Geochemie

Das Verhalten der chemischen Elemente in Mineralen, Schmelzen und Gasphasen bei unterschiedlichen Druck und Temperaturbedingungen und Zusammensetzungen wird durch Experimente bestimmt. Das Erreichen des thermodynamischen Gleichgewichtes bei der Bestimmung von Verteilungskoeffizienten von Haupt und Spurenelementen ist dabei ein wesentlicher Ausgangspunkt. Diese Ergebnisse können in Verbindung mit der analytischen Geochemie auf (annähernde) Gleichgewichtsprozesse in natürlichen Gesteinssystemen angewendet werden, wenn dies auch, bedingt durch die große Anzahl von Einflußgrößen, häufig noch schwierig ist. 

Die experimentelle Bestimmung von Diffusionskoeffizienten und Reaktionsraten ist zum Verständnis der Kinetik geochemischer Prozesse wichtig. Ihre Anwendung auf die in der Natur häufig sehr langsam ablaufenden (und daher experimentell nicht direkt nachvollziehbaren) Reaktionen und Stoffkreisläufe ist besonders schwierig. Deshalb nehmen solche Anwendungen häufig Modellberechnungen zu Hilfe, die durch experimentelle Daten sowie durch thermodynamische und kinetische Theorie untermauert sind. Dennoch wird es noch ein langer Weg sein, bis globale Zusammenhänge bei geochemischen Prozessabläufen gesetzmäßing und quantitativ wiedergegeben werden können.

Anforderungen an die Ausbildung

Aus der Standortbestimmung und den dargestellten Aufgaben der Geochemie folgt, daß die Geochemie nicht eine analytische Hilfswissenschaft der Geowissenschaften, sondern eine eigenständige Disziplin mit Zielvorstellungen ist, die weit über die klassischen Bereiche der Geowissenschaften hinausgehen. Die Lösung von Umweltproblemen stellt heute eine erhebliche Herausforderung an die Geochemie dar. Dieser Herausforderung läßt sich wirkungsvoll nur mit gut ausgebildeten geowissenschaftlichen und analytisch versierten Wissenschaftlern begegnen. 

In der geochemischen Forschung sind daher hinreichende Kenntnisse in analytischer und physikalischer Chemie neben Geologie, Physik und Mathematik erforderlich. Hierauf sollte bei der Ausbildung von Studenten geachtet werden, die sich dieser Richtung verschreiben wollen. Geochemie ist heute ein wesentlicher Zweig geowissenschaftlicher Forschung und sollte daher seiner Bedeutung entsprechend in der Ausbildung berücksichtigt werden. Dieses Ziel läßt sich nur in einer integrierten geowissenschaftlichen Ausbildung erreichen, in der Geoehern ie gleichwertig neben anderen Teilbereichen der Geowissenschaften steht.

Verantwortlich für den Inhalt: Forschungskollegium Geochemie (FGCH e.V.) 
Vorsitzender: Prof. Dr. J. Hoefs, Göttingen